Kapitel 8 Integralrechnung

Abschnitt 8.3 Anwendungen

8.3.3 Naturwissenschaftliche Anwendungen


Die Geschwindigkeit v beschreibt die momentane Änderungsrate des Ortes zur Zeit t. Es gilt also v= ds dt , wenn man v=v(t) und s=s(t) als Funktionen der Zeit auffasst. Der aktuelle Aufenthaltsort s(T) ergibt sich durch die Umkehrung der Ableitung, also durch die Integration der Geschwindigkeit über die Zeit. Mit dem Anfangswert s(t=0)= s0 zur Zeit t=0 erhält man damit

0 T ds dt dt = 0 T vdt      [s(t)]0 T = 0 T vdt     s(T)-s(0) = 0 T vdt     s(T) = s0 + 0 T v(t)dt.

Die Situation kann man mathematisch so zusammenfassen: Wenn die Ableitung f' einer Funktion f und ein einzelner Funktionswert f( x0 ) bekannt ist, kann die Funktion mit Hilfe des Integrals berechnet werden. Hierfür sagt man auch, dass die Funktionswerte aus der Ableitung rekonstruiert werden.
Wenn sich beispielsweise eine Bakterienpopulation näherungsweise gemäß B' mit B'(t)=0.6t für t0 vermehrt und zu Beginn B(0)=100 Bakterien vorhanden sind, wird der Bestand B zur Zeit T durch

B(T)-B(0)= 0 T 0.6tdt

und damit durch

B(T)=B(0)+ 0 T 0.6tdt=100+0.6 0 T tdt=100+0.3( T2 - 02 )=100+0.3 T2

beschrieben. Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung bietet für solche Fragestellungen ein wichtiges Hilfsmittel, eine Funktion zu rekonstruieren, wenn ihre Ableitung bekannt (und stetig) ist. In praktischen Anwendungen werden die Funktionen allerdings oft etwas komplizierter sein, zum Beispiel aus Verknüpfungen mit Exponentialfunktionen bestehen.
Ein weiteres Beispiel aus der Physik, das der Leserin oder dem Leser bekannt sein könnte, ist die Bestimmung der Arbeit als Produkt aus Kraft und Weg: W= Fs ·s. Dabei ist Fs die Projektion der Kraft auf die Wegrichtung. Ist die Kraft jedoch wegabhängig, gilt dieses Gesetz nicht mehr in seiner einfachen Form. Um die Arbeit, die z.B. beim Verschieben eines massiven Körpers entlang eines Weges verrichtet wird, zu bestimmen, muss man die aufgewendete Kraft dann entlang des Weges vom Anfangspunkt s1 bis zum Endpunkt s2 integrieren:

W= s1 s2 Fs (s)ds.

Dies sollen nur drei Beispiele aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich sein, in denen der Integralbegriff hilfreich ist. Im Verlauf des Studiums werden je nach Fachrichtung eine ganze Reihe weiterer Anwendungen der Integration auftauchen.